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BDA - Denkmal des Monates März 2003
Benefiziatenhaus Enns-Lorch, Maria Anger 9
Oberösterreich, Enns
Der um 1647 errichtete ehem. barocke
Pfarrhof der Ende des 18. Jh. abgebrochenen Wallfahrtskirche Maria
am Anger in Enns-Lorch wurde nach Besitzwechsel durch den neuen
Eigentümer einer umfassenden Wiederherstellung und Adaptierung
unterzogen. Das stattliche Gebäude stand seit Jahren leer und
war zuletzt bereits arg verwahrlost. Von Seiten der Denkmalpflege
mußte bereits im Vorfeld des Verkaufes klargelegt werden,
daß das Objekt mit seiner ausgeprägten Innenstruktur, dem
barocken Dachstuhl und der reichen Bauausstattung nicht die
Voraussetzungen für ein verwertungsorientiertes Renditeprojekt
aufweist. Auch wenn die nunmehr
verwirklichte Nutzung für private Wohnzwecke als
verträglich bezeichnet werden kann, ist es bedauerlich,
daß die Erhaltung des den Charakter eines
Wirtschaftspfarrhofes wesentlich mitbestimmenden Stall- und
Stadeltraktes nicht möglich war.
(Abb.1 Das restaurierte Benefiziatenhaus im Jahr
2002, Abb.2 Die Fassade vor der Restaurierung)
Die Geschichte der
Wallfahrtskirche Maria am Anger reicht bis in die spätantike
Zeit zurück, als nach 375 n.Chr. in den ausgedehnten
Baukomplex des ehem. Legionsspitales von Lauriacum ein
frühchristlicher Kultraum eingebaut wurde. Zwischen 1075 und
1091 wurde sie dem bischöflichen Augustinerkloster St. Nikola
in Passau zugeordnet. Als 1553 die verlassene Minoritenkirche in
der Ennser Altstadt zur Pfarrkirche erhoben wurde, blieb die alte
Pfarrkirche St. Laurenz Friedhofskirche. Als die Wallfahrt zum
wundertätigen Gnadenbild in Maria-Anger wieder in Gang kam,
entschlossen sich die Passauer Kirchenherren 1647 zum Bau des
Benefiziatenhauses. Eine bauliche Adaptierung des
Benefiziatenhauses durch den Passauer Baumeister Jacob Pawanger ist
für 1736 gesichert, aus dieser Zeit stammt auch
die Putzgliederung. Am 13. Juli
1785 kam vom Kreisamt Steyr der Auftrag zur Sperrung der
Marienkirche, die am 30. August erfolgte. Das Benefiziatenhaus
wurde 1787 an den Ennser Stadtschreiber Johann Matthias Zwegghamer
verkauft. Die Kirche erwarb 1792 der Ennser Apotheker Karl
Gürtler, um sie bald danach abzubrechen.
(Abb.3 Barocke Füllungstür mit Resten von
Lasurmalerei, Abb.4 Freilegungsprobe)
Im Vorfeld der Restaurierung des
Benefiziatenhauses wurden die Oberflächen im Inneren und an
der Fassade des Gebäudes restauratorisch befundet. Gemeinsam
mit dem vom BDA bereits 1997 erstellten Verzeichnis der relevanten
Bauausstattung im sog. Raumbuch ist damit eine sehr gute Grundlage
zur Beurteilung von Veränderungswünschen gegeben. Im Zuge
der Befundung der Fassaden wurde ein Wappenfresko von beachtlicher
Größe entdeckt, das allerdings durch den Abbruch eines
angrenzenden Traktes bereits arg in Mitleidenschaft gezogen worden
war, sodaß große Teile aus dem Bauschutt geborgen werden
mußten. An der Eingangsseite kam unerwartet mit einer
freskierten Sonnenuhr, deren Ziffernband auf originelle Weise um
ein Fenster herum gezogen war, eine nicht mehr genau lesbare
Datierung aus dem 17. Jh. zum Vorschein.
(Abb.5 Türblatt vor Restaurierung)
Sehr großen restauratorischen Aufwand
erforderten bei dem engagierten und nur mit großem
finanziellen Einsatz bewältigten Projekt neben wertvollen
barocken Kreuzstock- beziehungsweise Kämpferfenstern, die alle
erhalten wurden, sowie zahlreichen, mit barocken Stuckzügen
versehenen und vielfach übertünchten Deckenspiegeln die
barocken Innentüren mit ihren ursprünglich kunstvoll
lasierten, aber stark abgewitterten Oberflächen. Die
zeittypische Lasurmalerei mußte wiederhergestellt werden.
Zu dem Gebäude gehört auch
eine der letzten großen und unverbauten Grundparzellen
inmitten des ehem. Legionslagers von Lauriacum. Sie umfasst ca.
5000 qm und liegt nördlich der "principia" (Kommandantur) im
Bereich des ehem. "valetudinarium" (Lagerspital). Teile der
Parzelle wurden im Rahmen einer Ausgrabung durch das
Archäologische Institut der Universität Wien 1936 bereits
untersucht. Als außerordentlich wichtiges Fundergebnis der
Grabung sind die Überreste der vermutlich ersten
frühchristlichen Kirche Oberösterreichs (nach 375) mit
einer halbrunden Priesterbank zu bezeichnen. Aktuelle
Teilungsbeschlüsse und damit zusammenhängende
Umwidmungsanträge geben leider erneut Anlaß zur Sorge um
die unveränderte Erhaltung des im ehem. Lauriacum ohnehin
bereits unverhältnismäßig dezimierten
archäologischen Erbes.
(Abb.6 Detail der restaurierten Fassade mit
Kastenfenster und Eisengitter)
Bundesdenkmalamt - Linz
Die Bilder lassen sich durch
Anklicken vergrößern.
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